Der ABC-Transporter
Ste6 der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae wird für
die Sekretion des Paarungspheromons a-Faktor benötigt. Die
Familie der ABC-Transporter umfaßt viele Transportproteine,
die sowohl in Prokaryonten als auch in Eukaryonten anzutreffen
sind (Higgins, 1992). Typisch für ABC-Transporter ist eine
hochkonservierten ATP-Bindungskassette. Bedeutende eukaryontische
Vertreter sind die MDR- und CFTR-Proteine bei Säugern. MDR-Proteine
sind verantwortlich für das Phänomen der multidrug
resistance", einer breitgefächerten Resistenz gegen
zytotoxischer Substanzen, die weder eine ähnliche Struktur
noch gleiche intrazelluläre Wirkorte aufweisen (Gottesman
und Pastan, 1993). Dieses Phänomen bereitet große
Probleme bei der Chemotherapie von Krebserkrankungen. Ein Defekt
im humanen CFTR-Protein führt zu einer der häufigsten
Erbkrankheiten, der Zystischen Fibrose (CF). Die häufigste
Mutation ist eine Deletion von Phenylalanin 508 (DF508), die
zu einer temperaturbedingten Mißlokation des CFTR-Proteins
und damit zum Funktionsverlust führt (Denning et al., 1992).
Das CFTR-Protein besitzt eine Chloridionen-Kanalfunktion. Außerdem
gehören verschiedene prokaryontische Permeasen wie HlyB,
OppD, HisP und MalK zur Familie der ABC-Transporter.
Der a-Faktor ist zusammen mit dem zweiten Paarungspheromon der
Hefe, dem a-Faktor, verantwortlich für die Initiation des
Paarungsprozesses. In diesem Konjugationsprozeß fusionieren
die beiden haploiden Zelltypen MATa und MATa der Hefe zu einem
dritten Zelltyp, der diploiden MATa/a-Zelle. Die Bildung dieser
beiden Oligopeptidpheromone erfolgt zelltypspezifisch; die MATa-Zelle
bildet den 12 Aminosäuren langen a-Faktor, die MATa-Zelle
sekretiert ein 13 Aminosäuren großes Peptid, den a-Faktor.
Das Paarungspheromon a-Faktor wird kodiert von den Genen MFa1und
MFa2 und als 18,5 kDa großes Vorläuferpeptid, dem
präpro-a-Faktor (pp-a-F) synthetisiert. Der von MFa1 kodierte
Vorläufer enthält vier, das MFa2-kodierte Genprodukt
zwei Kopien des reifen Pheromons (Bussey, 1988). Der a-Faktor
folgt dem klassischen Sekretionsweg: Der Aminoterminus des a-Faktor-Vorläuferpeptids
besitzt eine Signalsequenz, die den Eintritt ins ER vermittelt
(Julius et al., 1984). Nach Glykosylierung im ER erfolgt der
weitere Transport in den Golgi-Komplex, wo die proteolytische
Reifung durch die Serinprotease Kex2 erfolgt, die nach Abspaltung
der Pro-Sequenz auch die Kopien des a-Faktors freisetzt (Fuller
et al., 1986). Weitere Prozessierungsschritte erfolgen durch
die Proteasen Ste13 und Kex1, bis schließlich das reife
Pheromon über sekretorische Vesikel freigesetzt wird.
Das Paarungspheromon a-Faktor, ein stark hydrophpobes und farnesyliertes
Dodekapeptid von 1,6 kDa, wird hingegen über einen nichtklassischen
Sekretionsweg ausgeschleust. Die 36 bzw. 38 Aminosäuren
langen Vorläufer werden durch die Gene MFa1 und MFa2 kodiert
(Michaelis und Hershkowitz, 1988) und besitzten keine Signalsequenz
für den ER-Import. Während der a-Faktor in ts-sekretionsdefekten
(sec) Mutanten (Schekman, 1985) bei nichtpermissiver Temperatur
nicht sekretiert wird, haben diese Mutationen keinen Einfluß
auf die Ausschleusung des a-Faktors. MATa ste6-Deletionsmutanten
produzieren zwar den reifen a-Faktor, können ihn aber nicht
ausschleusen (McGrath und Varshavski, 1989; Kuchler et al., 1989).
Dies legt die Annahme nahe, daß der ABC-Transporter Ste6
den Transport des a-Faktors über die Plasmamembran vermittelt.
Die enge Verwandtschaft des mutmaßlichen a-Faktor-Transporters
Ste6 zu ABC-Transportern in Säugern wird belegt durch den
Befund, daß der Paarungsdefekt in einem ste6-Deletionsstamm
durch die Expression des mdr3-Gens der Maus komplementiert werden
kann (Raymond et al., 1992). Somit stellt Ste6 ein ideales Modell
zur Untersuchung eukaryontischer ABC-Transporter dar.
Die aufgrund von Sequenzdaten vorhergesagte Sekundärstrukur
und Membrantopologie von Ste6 ähnelt der Struktur anderer
Vertreter der ABC-Transporterfamilie. Typisch ist die Struktur
der beiden homologen Hälften des Proteins, die durch eine
kurze Spacer-Region verbunden sind (Abb. 1). Jede dieser beiden
Hälften besteht aus sechs Transmembrandomänen und einer
hochkonservierten zytoplasmatischen ATP-Bindedomäne (Kuchler
et al., 1989; McGrath und Varshavski, 1989).
Die etwa 100 Aminosäuren lange Spacer-Region von Ste6 wurde
Degradation-Box" oder kurz D-Box" genannt,
da sowohl eine komplette Deletion als auch ein Austausch dieser
Region gegen die entsprechende Domäne des prokaryontischen
ABC-Transporters HlyB zu einer Stabilisierung des kurzlebigen
Ste6 führt (R. Kölling, persönliche Mitteilung).
Die D-Box kann unterteilt werden in einen ersten Abschnitt, in
dem sich gehäuft saure Aminosäuren befinden, kurz A-Box"
genannt, und einen Teil, B-Box" genannt, in dem vorwiegend
basische Aminosäuren in zwei Blöcken anzutreffen sind.
(Abb. 2).
Mit einer Halbwertszeit von rund 13 min ist Ste6 ein sehr kurzlebiges
Protein. Es konnte gezeigt werden, daß das Ste6-Protein
hauptsächlich in der den Lysosomen der Säugerzellen
analogen Vakuole abgebaut wird. In pep4-Mutanten, die einen Defekt
in der vakuolären Proteinase A aufweisen, die von zentraler
Bedeutung für die proteolytische Funktion der Vakuole ist
(Ammerer et al., 1986), steigt die Halbwertszeit von Ste6 stark
an. Außerdem konnte durch Immunofluoreszenz in pep4-Mutanten
eine Akkumulation von Ste6 in der Vakuole nachgewiesen werden
(Kölling und Hollenberg, 1994).
Aufgrund der vermuteten Rolle von Ste6 als a-Faktor-Transporter
wurde eine Lokalisation in der Plasmamembran postuliert. Tatsächlich
ist Ste6 hauptsächlich mit internen Membranen assoziiert
(Kölling und Hollenberg, 1994). Die geringe Menge von Ste6
in der Plasmamembran kann durch eine effiziente Endozytose des
Proteins erklärt werden. In der Endozytosemutante end4,
die einen Defekt in der Internalisation des a-Faktors aufweist
(Raths et al., 1993), häuft sich Ste6 in der Plasmamembran
in einer ubiquitinierten Form an (Kölling und Hollenberg,
1994).
Ubiquitin, ein kleines Molekül von 76 Aminosäuren und
8,5 kDa, ist in allen eukaryontischen Zellen vorhanden und spielt
eine wichtige Rolle beim kontrollierten Abbau von Proteinen.
Hierbei wird das carboxyterminale Glycin des Ubiquitins kovalent
mit der e-Aminogruppe eines Lysins verknüpft. Hierzu wird
das Ubiquitin zunächst von einem E1 genannten Enzym durch
Ausbildung einer energiereichen Thioester-Bindung aktiviert.
Das aktivierte Ubiquitin wird dann auf eine Sulfhydrylgruppe
eines Ubiquitin-konjugierenden Enzyms (E2) übertragen, das
entweder allein oder in Verbindung mit einer Ubiquitin-Ligase
(E3) die Übertragung auf das Zielprotein katalysiert. Schließlich
werden weitere Ubiquitinmoleküle gebunden. Auf diese Weise
wird das Substrat für den Abbau durch den 26S-Proteasomkomplex
markiert (Jentsch, 1992). Die Beobachtung, daß Ste6 in
ubc4 ubc5 Doppelmutanten (Seufert und Jentsch, 1990), die defekt
sind in den Ubiquitin-konjugierenden Enzymen Ubc4 und Ubc5 (E2-Enzyme),
um das dreifache stabilisiert ist (Kölling und Hollenberg,
1994), liefert einen Hinweis auf die Beteiligung des Ubiquitinsystems
am Abbau von Ste6.
Der genaue Zusammenhang zwischen Ubiquitinierung und dem Abbau
in der Vakuole konnte noch nicht näher geklärt werden.
Die Proteolyse von Ste6 scheint jedoch trotz Ubiquitinierung
nicht vom Proteasom abhängig zu sein, da Proteasom-Mutanten
(pre) keinen Einfluß auf die Stabilität von Ste6 haben
(R. Kölling, persönliche Mitteilung). Möglicherweise
wird die schnelle Endozytose durch die Ubiquitinierung ausgelöst,
und führt letztlich zum Abbau in der Vakuole. Ein solcher
Mechanismus wurde beschrieben für Ste2, ein G-Protein gekoppeltes
Rezeporprotein in der Plasmamembran (Hicke und Riezman, 1996).
Die Bindung des a-Faktors an Ste2 aktiviert einen Signaltransduktionsweg
und führt zur Ubiquitinierung des Proteins. Diese Ubiquitinierung
leitet die Endocytose des Rezepor-Ligandenkomplexes ein. Die
Internalisation wird erleichtert durch Clathrin (Tan et al.,
1993) und benötigt außerdem Actin, Fimbrin und Calmodulin
(Riezmann, 1993; Munn und Riezmann, 1994). Calmodulin, ein regulatorisches
Protein, das an vielen calciumabhängigen Signalwegen beteiligt
ist, moduliert die Aktivität anderer Proteine, darunter
Proteinkinasen, Phosphodiesterasen und Calciumpumpen, bindet
Ca2+ spezifisch und erfährt dabei eine Konformationsänderung.
Calmodulin bindet mit hoher Affinität an basische, amphipathische
a-Helices (ONeil und DeGrado, 1990). Eine solche Helix
besitzt in ihrer räumlichen Orientierung die geladenen und
hydrophilen Aminosäuren auf der einen und die hydrophoben
Aminosäuren auf der anderen Seite.
Ziel der a-Faktor stimulierten Ubiquitinierung von Ste2 ist die
Aminosäuresequenz SINNDAKSS" im zytoplasmatischen
Teil des Proteins; ein Austausch des Lysins zu Arginin, wodurch
die positive Ladung erhalten bleibt, verhindert die Ubiquitinierung
eines C-terminal verkürzten Rezeptors (Hicke und Riezmann,
1996). Die A-Box von Ste6 weist eine ähnliche Aminosäuresequenz
auf, die DAKTI"-Sequenz (Abb. 2). Tatsächlich
ist die A-Box Ziel der Ubiquitinierung, und eine Deletion der
A-Box führt zu einer Stabilisierung des Proteins bei Erhalt
der Funktion von Ste6 (Ralf Kölling, persönliche Mitteilung).
Es ist unklar, ob Ste6 ausschließlich über den Umweg
zur Plasmamembran in die Vakuole gelangt. Einen Hinweis auf die
Beteiligung mehrerer Transportwege lieferte die Beobachtung der
Ste6-Stabilität in Sekretionsmutanten. In einer sec1-Mutante
(Novick und Schekman, 1979), die einen Defekt im Transport der
sekretorischen Vesikel zur Plasmamembran aufweist, ist Ste6 zwar
stablilisiert, aber bei weitem nicht so stark wie im pep4-Hintergrund
(R. Kölling, persönliche Mitteilung). Dies ist ein
Hinweis auf zwei alternative Transportwege für Ste6, die
beide in der Vakuole enden. Zwei mögliche Wege, über
die Membranproteine zur Vakuole gelangen können, sind zum
einen der Transport von Membranproteinen nach Integration in
die ER-Membran zum Golgi-Apparat, von dem sie über ein Endosomen-Kompartiment,
auch prävakuoläres Kompartiment genannt, zur Vakuole
gelangt. Diesem vakuolären Transportweg folgt z.B. die Dipeptidylaminopeptidase
B, kurz DPAP B. (Roberts et al., 1992; Review von Conibear und
Stevens, 1995). Ein anderer Weg weicht nach dem Golgi-Apparat
von dem eben beschriebenen ab. Hier erfolgt der Transport des
Proteins zur Plasmamembran und von dort durch Endozytose über
mehrere endosomale Kompartimente (Singer-Kruger et al., 1993)
zur Vakuole. Im Gegensatz zu Säugerzellen scheinen in S.
cerevisiae Membranproteine, die nicht über spezifische Sorting-Signale
verfügen, mit deren Hilfe die zelluläre Sortierung
erfolgt, über das Endosom unter Umgehung der Plasmamembran
in die Vakuole transportiert zu werden (Roberts et al., 1992).
Im Rahmen dieser Diplomarbeit sollte mit Hilfe des Two Hybrid-Systems
untersucht werden, ob und mit welchen Proteinen die D-Box und
Teile der D-Box interagieren. Beim Two Hybrid-System handelt
es sich um ein genetisches System zur Detektion von Proteinwechselwirkungen
in vivo, welches gleichzeitig eine schnelle Identifizierung der
positiv beurteilten Klone erlaubt (Fields und Song, 1989). Das
Prinzip beruht auf dem modularen Charakter vieler eukaryontischer
Transkriptionsfaktoren, wie dem hier verwendeten Gal4 (Ma und
Ptashne, 1987), das beteiligt ist an der positiven Regulation
von Genen zur Galaktoseverwertung in S. cerevisiae. Die Gal4-DNA-Bindedomäne
(BD) bindet sequenzspezifisch an eine cis-regulatorische, palindromische
Sequenz in der Nähe der Promotorregionen der GAL-Gene, die
als UAS (upstream activating sequence) bezeichnet wird. Die Gal4-Aktivierungsdomäne
(AD) interagiert mit anderen für die Transkriptionsinitiation
benötigten Faktoren und bewirkt so die Transkription des
stromabwärts liegenden Gens (Johnston, 1987). Die verwendeten
Hefestämme besitzen Cassetten mit Reportergenen (HIS3 und
E. coli lacZ), die von Promotoren exprimiert werden, die unter
Kontrolle des GAL1-UAS-Elements stehen. Auf Plasmiden werden
zwei Gene kloniert, die Hybridproteine kodieren: Eines ist eine
Fusion aus der GAL4-Bindedomäne und einem Protein X",
das andere ist eine Fusion aus der GAL4-Aktivierungsdomäne
und einem Protein Y". Durch eine physikalische Interaktion
der beiden Proteine X und Y kann die Gal4-Aktivität wiederhergestellt
werden (Abb. 3); die getrennten Gal4-Domänen allein sind
dazu nicht in der Lage (Fields und Song, 1989). Die Expression
des HIS3-Reportergens bewirkt Wachstum der Zellen auf Medium
ohne Histidin, die Expression der b-Galaktosidase kann mit einem
Filtertest nachgewiesen werden (Blaufärbung durch die enzymatische
Spaltung von X-Gal).
Das Two Hybrid-System erlaubt nicht nur die Untersuchung spezifischer
Hybridproteine. Um diese Methode für eine Suche nach bislang
unbekannten Interaktionspartnern einzusetzten, kann eine Hybridprotein-Bank
hergestellt werden, indem die gesamte genomische DNA oder cDNA
an die kodierende Sequenz der Gal4-AD fusioniert wird. Diese
Bank kann in eine Hefe transformiert werden, die bereits ein
Plasmid enthält, das ein spezifisches Gal4-BD-Fusionsprotein
kodiert (Bartel, 1993). Sollte bei einer solchen Suche ein Interaktionspartner
gefunden werden, genügt zur Identifizierung des Proteins
die Sequenzierung des GAL4-AD-Fusionsgens.
Geplant war die Suche nach unbekannten Faktoren, die mit der
D-Box interagieren. Außerdem sollten mögliche Wechselwirkungen
gezielt untersucht werden: Die basischen Bereiche der B-Box können
als amphipathische a-Helix dargestellt werden und stellen somit
eine mögliche Bindungsstelle für Calmodulin dar (ONeil
und DeGrado, 1990). Außerdem sollte untersucht werden,
ob die B-Box, deren Aminosäuresequenz eine Ähnlichkeit
zum a-Faktor-Rezeptor Ste3 aufweist, eine a-Faktor-Bindungsstelle
besitzt.
In einem weiteren Projekt sollten Mutanten isoliert werden, die
zu einer Stabilisierung des Ste6-Proteins führen. Solche
Mutanten könnten hilfreich sein bei der Aufklärung
der Abbauwege von Ste6. Zu erwarten wären Mutanten des sekretorischen
Transportwegs und auch solche mit Einfluß auf die proteolytische
Funktion der Vakuole. Auch ubiquitinkonjugierende Proteine oder
Komponenten des vakuolären Transportwegs könnten so
identifiziert werden.
Ein verminderter Abbau von Ste6 in solchen Mutanten sollte zu
einer höheren intrazellulären Ste6-Konzentration führen.
Da sich die Ste6-Aktivität im Rahmen eines genetischen Screens
nicht ohne weiteres quantifizieren läßt, sollte ein
Ste6-lacZ-Fusionsprotein benutzt werden. Über die b-Galaktosidaseaktivität
des Fusionsproteins sollten sich so mit Hilfe eines Filtertests
Mutanten isolieren lassen, die eine erhöhte Ste6-Stabilität
aufweisen. Zuvor muß jedoch geklärt werden, ob sich
das Fusionsprotein wie Ste6 verhält. |